Methodik
Methodik
Die Frage nach einer guten Audioqualität in Ausstellungsprojekten ist keine einfache, da Ausstellungen eine einzigartige Akustik und jeweils individuelle Rahmenbedingungen aufweisen. Im Gegensatz zu Kinos oder Konzertbühnen, wo mehr oder weniger genormten Standards angewandt werden können, erfordern Ausstellungen individuelle Lösungen. So kann das Sound System vom spezifischen Exponat und seinem räumlichen Kontext aus konzipiert werden. Die Anforderungen variieren je nach Objekt, und eine differenzierte Herangehensweise ermöglicht eine präzise, nuancierte und natürliche Klangwiedergabe, wodurch die Vermittlung von Inhalten verbessert wird. Dabei ist die Bedeutung des Ausstellungskonzepts nicht zu unterschätzen, bei dem die technische Apparatur als Teil der ganzheitlichen Gestaltung entworfen wird, um ein überzeugendes Hörerlebnis in Ausstellungen zu ermöglichen.
Was heißt gute Qualität?
Für ein ideales Sound System sind drei Merkmale wesentlich, damit es die bestmögliche Audioqualität erzielen kann. Erstens kann ein ideales Sound System den gesamten Tonumfang des Audiomaterials reproduzieren; das heißt, die tiefsten Grundtöne genauso gut wie die höchsten Obertöne. Und das, ohne bestimmte Tonbereiche zu betonen oder zu vernachlässigen. Zweitens kann es alle Lautstärken des Audiomaterials wiedergeben. Man sagt auch, es muss eine ausreichend hohe Dynamik erreicht werden können. Und drittens kann es die Richtungen der einzelnen Klänge (z.B. Instrumente) adäquat reproduzieren, d.h. hörbar machen. Jemand, der professionell Lautsprecher baut, würde hier protestieren, weil das etwas vereinfacht dargestellt ist. Aber es ist ausreichend, um das Prinzip zu verstehen, um welches es hier geht.
Allgemeine Lösungen passen für allgemeine Situationen
Wenn man nicht genau weiß, mit welchem Klangmaterial man es zu tun haben wird, braucht es ein allgemein gutes Sound System, z.B. im Kino oder auf der Konzertbühne. Für allgemeine Wiedergabesituationen lassen sich allgemeine Anforderungen definieren, also Standards. Aus dieser Perspektive kann man sich dem eingangs beschriebenen „idealen“ Sound System annähern. Dann ist man für alle Fälle vorbereitet, denn dieses Sound System kann quasi alles.
Jede Ausstellung ist ein Unikat, und auch ein jedes Exponat
Anders jedoch als z.B. in Kinosälen, die mit genormte Standards für Raumakustik, Audiotechnik und die Anordnung von Hörplätzen zertifiziert werden, ist jede Ausstellung ein Unikat. Eine jede Ausstellung hat eine einzigartige Akustik, die durch die Architektur und Ausstellungsbauten bzw. die Szenografie bedingt ist. Zudem sind die Ausstellungsräume wesentlich komplexer strukturiert als ein Kinosaal, die Exponate können meist aus allen möglichen Perspektiven wahrgenommen werden, und wann wer welchem Exponat wie lange die Aufmerksamkeit schenkt, ist letztlich weder kontrollierbar noch vorhersehbar. Medientechnisch betrachtet, ist die Situation noch am ehesten mit einem VR Game vergleichbar: Während der Film ein lineares Medium ist, kann man ein VR Game interaktiv erleben, umherlaufen, stehenbleiben, zurückkommen. Eine Ausstellung aber ist sogar noch etwas komplexer: potenziell können alle Besucher*innen alles sehen und hören, auch sich gegenseitig. Das Ausstellungserlebnis findet auch nicht in einer technisch und physikalisch vereinfachten Variante der Welt statt, also in der virtuellen Realität, sondern im weitaus komplexeren „echten Leben“.
Wenn man sich diese Komplexität vor Augen führt, scheint es undenkbar, sich hier ein ideales Sound System auch nur ansatzweise vorzustellen, geschweige denn irgendwelche Standards. Vielmehr scheint die Komplexität des Mediums Ausstellung zu erklären, warum gelegentlich der Ton nicht so passend klingt wie man ihn gerne hören würde.
Das Sound System vom Exponat aus denken
In Ausstellungsprojekten bietet es sich in der Regel also nicht an, das Sound System vom Ende her zu denken, also vom allgemeinen Ideal, sondern vom Anfang, vom Objekt. Was bedeutet das konkret?
Vom Ende her zu denken bedeutet: Das ideale Sound System, die alles kann, ist schon aus physikalischen Gründen sehr groß und deshalb nicht nur teuer, sondern auch recht unflexibel in Ausstellungen zu installieren.
Vom Anfang her zu denken bedeutet, das Sound System aus der Perspektive des Exponats oder des Ereignisses zu denken. Man schaut sich das spezifische Exponat genau an, und auch den räumlichen Kontext, in dem es präsentiert werden soll, um dann genau dafür ein Sound System als ganz spezifische Lösung zu finden. Die Antwort kann sehr unterschiedlich ausfallen: Es kann z.B. eine 1-Kanal-Mini-Lösung sein. Oder ein größer dimensioniertes, mehrkanaliges Sound System. Oder ein Kopfhörer. Je nach dem. Grundsätzlich kann es alles sein, was Schallwellen erzeugt.
Ein Beispiel
Es soll beispielsweise eine Vogelstimme hörbar gemacht werden. Ein solcher Lautsprecher braucht lediglich jenen Tonbereich ausreichend gut wiedergeben, in dem dieser Vogel auch singt. Der Lautsprecher braucht also keine tiefen Töne zu reproduzieren, und er muss — entsprechend dem Ausstellungskonzept — möglicherweise auch nicht lauter spielen können, als der Vogel selber singt. Deshalb darf der Lautsprecher relativ klein gebaut sein. Ein kleiner Lautsprecher kann relativ einfach genau dort positioniert werden, wo der Vogel im Raum wahrgenommen werden soll. Zudem ist er visuell unauffälliger und zieht die Aufmerksamkeit weniger auf sich. Sowohl auditiv als auch visuell verschwindet die Technik hinter dem Ereignis. Wir erleben das Exponat, die Message, die Atmosphäre — nicht die Apparatur. Wir erleben Präsenz im Thema — nicht dessen technische Vermittlung.
Eine Strategie für komplexe Ausstellungsprojekte
Auf diese Weise kann man in einem Ausstellungsprojekt jedes einzelne Exponat betrachten, welches eine Klangkomponente hat, und jeweils ganz spezifisch zunächst einmal die Anforderungen definieren. Diesem Prinzip folgend, also vom Exponat aus zu denken, wird es eine Vielzahl verschiedener Anforderungen an Lautsprecher und Audiotechnik geben, je nach dem was das jeweilige Exponat braucht.
Anschließend kann man überlegen, ob sich bestimmte Klänge vielleicht auch einen Lautsprecher teilen können, bzw. wie man bestimmte Lautsprecher gleichzeitig für verschiedene Zwecke einsetzen kann.
Inwieweit hier Kompromisse eingegangen werden können, muss mit Hinblick sowohl auf das jeweilige Exponat als auch auf das Gesamtkonzept beurteilt werden. Dabei muss die jeweilige Lösung nicht immer ideal sein — aber gut genug, um sich ideal ins Gesamtbild einzufügen.
Und es kann der Einsatz von digitalen Audio-Netzwerken oder Spatial Audio Technologien sinnvoll sein, um die komplexe Verteilung von Audiosignalen handhabbar zu machen.
Was „vom Anfang her denken“ am Ende wirklich bringt
Wenn es sich um eine größere Anzahl von auditiven Exponaten handelt, wird diese Planung zwar schnell komplex und erfordert ein bisschen Erfahrung, um eine technisch, finanziell und gestalterisch elegante Lösung zu finden. Und dass hier nicht nur eine tontechnische sondern auch eine ganzheitliche Gestaltungsperspektive gefragt ist, liegt auf der Hand.
Aber das Ergebnis lohnt sich in vielerlei Hinsicht. Das wichtigste dabei ist: im Gesamtbild der Ausstellung wirkt der Soundtrack differenziert, präzise, nuanciert und natürlich; für die Vermittlung von Inhalten ist das essenziell.
Was man am Ende allerdings nicht vergessen darf: Das Sound System allein macht noch keinen einzigen Ton. Die Grundlage für einen guten „Soundtrack“ ist eine Ausstellungskonzeption in der die visuellen und die auditiven Informationen sinnvoll ausbalanciert sind, eine sensible Auswahl, Produktion und Gestaltung von Sounds, sowie eine Mischung aller Klänge die im Zusammenspiel mit der Szenografie ein ganzheitliches Raumgefühl erzeugt. Das Sound System ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als die Voraussetzung dafür, den Soundtrack einer Ausstellung in ein überzeugendes Hörerlebnis übersetzen zu können.
Johannes Scherzer hat Sound an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg studiert und ist Gründungsmitglied des Sound Scenography Studios TAUCHER in Berlin. Inspiriert von der akribischen Herangehensweise an Sound im Medium Film, beschäftigt er sich mit den Beziehungen zwischen Sound, Kommunikation und Immersion in szenografischen Projekten, inszenierten Räume und narrativen Umgebungen.