Transformation
Transformation
Wege und Seitennebenwege
Während einer Reise in 2010 haben wir einige Tage auf einer weit abgelegenen Berghütte verbracht, im ukrainischen Teil der Karpaten. Wir ließen unseren weißen Volvo 740 unten im Tal stehen. Mit Leidenschaft brachte unser Gastgeber uns mit seinem sowjetischen Schwerlast-Geländewagen ohne Federung durch Flüsse, Schlammlöcher und über querliegende Baumstämme, bis wir den Ort erreichten.
Die Hütte stand inmitten einer weitläufigen, leicht abfallende Wiese, die Polonyna, die von Wäldern und Bergen umsäumt war. In der Hütte gab es ein quietschendes Etagenbett, einen kleinen Esstisch, zwei Stühle, einen Kamin und ein Stück duftenden Speck, den jemand zurückgelassen hatte. Frisches Wasser holten wir aus dem kleinen Bach, der die Wiese durchquerte. Es war ein stiller und friedlicher, und irgendwie ein magischer Ort, und wir genossen die ereignislose Ruhe.
Und weil wenig passierte, hatten wir die Gelegenheit genau zu beobachten. Was macht diesen Ort so besonders immersiv für unser Erleben? Wodurch erhält dieser Ort eine so starke Aura? Ist es Kohärenz, Harmonie, Balance? Ist es die Atmosphäre, die wir mit unserem ganzen Körper spüren können? Uns wurde klar, welche fundamentale Bedeutung der Klang für das ganzheitliche Erleben hat. Wir dachten, das ist kein Zufallsprodukt. Der Sound dieser Polonyna war eine genial aufeinander angepasste Orchestrierung der Lebensgeräusche all ihrer Bewohner und Besucher, der Tiere und Pflanzen.
Wir haben gesponnen: könnte man dieses Erleben in einem anderen Kontext spürbar machen? Könnten solche “Erfahrungsräume” auch außerhalb der Berge produziert werden, in urbanen, gebauten Räumen?
Wenn wir jede Gestaltung von Raum als einen Akt der Kommunikation betrachten: Was uns vorschwebte war eine Form von raumgreifender Kommunikation, die über die körperliche Wahrnehmung das ganzheitliche Erleben von Atmosphäre und Raum als zentralen Ausgangspunkt nimmt, um das Gefühl von physischer und mentaler Präsenz zu erzeugen, um die gespürten Raumgrenzen zu erweitern oder gar aufzulösen, und um das Bewusstsein auf die ästhetischen Qualitäten zu lenken und weniger auf die technischen Mittel zu deren Erzeugung (Apparatus). In unserer Vision sahen wir weniger die naturalistische Reproduktion oder Simulation von wünschenswerter Wirklichkeit, sondern vielmehr das Erzeugen neuer Wirklichkeiten — was auf nicht weniger hinauslief als auf die Komposition eines Kunstwerks mit den Mitteln der auditiven Gestaltung: die Komposition von Raum. Die Idee für das Gestaltungsbüro TAUCHER war geboren.
In der Anfangszeit haben wir alle Gelegenheiten genutzt um die Idee auszuprobieren und zu schärfen: Modenschau, Expanded Cinema, ein Forschungslabor, Performances, Festivals, Show-Rooms, Marken-Events, Kunst, Museen und Medieninstallationen. Im Laufe der Jahre hat sich unser Fokus auf szenografische Projekte und Ausstellungsgestaltung herausgebildet. Heute bewegen sich unsere Projekte im Spannungsfeld zwischen Kunst, Wissensvermittlung und Architektur.
Zudem haben wir einige Satellitenprojekte ins Leben gerufen, die mit TAUCHER ein zentrales Thema verbindet: auditive Kommunikation im Raum. Dazu gehört MNTN — The Sound of the Mountain, wo wir seit 2015 eine für Künstler und Gestalter intuitiv nutzbare Spatial Audio Technologie entwickelt haben und unsere über zehnjährige Erfahrung aus der Arbeit mit Mehrkanal-Lautsprecher-Umgebungen weitergeben.
Beim spæs lab in Berlin erforschen wir die Beziehungen zwischen Klang, Raum und menschlicher Erfahrung aus der Perspektive der Ästhetik. Unabhängig von kommerziellen Beschränkungen fördern wir kritische Reflexion und den Austausch von Ideen zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie. Dazu gehören u.a. Workshops, eine Bibliothek, Listening Sessions, Residency- und Internship-Programme.
Unser neuestes Satellitenprojekt ist das spatial audio loft Berlin. Für die Realisation von Spatial Audio Projekten sind physikalischer Raum, eine gute Akustik und eine größere Anzahl von Lautsprechern noch immer rar. Nachdem wir nun unser Studio renoviert und akustisch optimiert habe, bietet es fortan all jenen eine Studioumgebung, die mit nicht-standardisierten Lautsprecher-Umgebungen arbeiten wollen.
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